Interview mit Akira Toriyama aus dem Daizenshū 6

Beitrag von Matt @Matt@m.bratpfannenberg.com

Am 4. Dezember 1995 erschien in Japan das sechste der zehn Daizenshū-Bücher, in denen fasst das gesamte damalige Wissen über Dragon Ball von Shueisha-Redaktueren zusammengefasst wurde. "Dragon Ball Daizenshū 6: Movies & TV Specials" enthielt außerdem ein Interview mit Dragon Ball-Autor Akira Toriyama. Diese sechste Runde des "Super Interviews" wurde auch noch einmal in dem am 4. April 2013 in Japan veröffentlichten Chōzenshū 3: Animation Guide Part 2 abgedruckt.

Cover des Chōzenshū 3: Animation Guide Part 2 und des Daizenshū 6: Movies & TV Specials
Was halten Sie persönlich von den Dragon Ball-Kinofilmen, Sensei?
Ich sehe die Filme als "Geschichten, die in einer anderen Dimension als der der Hauptgeschichte des Mangas spielen" an. Bei ihnen bin ich voll und ganz einfach nur Zuschauer.

Welche Arbeiten verrichten Sie für die Filme, Sensei?
Ich überprüfe die Geschichten und Drehbücher, die ich von Toei Animation geschickt bekomme. Ich entwerfe auch ein paar Character-Designs, führe Verbesserungen durch, verändere Namen und Ähnliches.

Gibt es Charaktere, die Sie selbst entworfen haben, Sensei?
Die gibt es. Bojack und Broli, zum Beispiel. Vor Kurzem habe ich Tapion und Minoshia entworfen.

Wie gehen Sie vor, wenn Sie sich Charaktere ausdenken?
Toei zeigt mir bei jedem Film den Projektentwurf und ich gestalte passend zur Geschichte Charaktere.

Haben Sie einen Lieblingsbösewicht aus den Filmen?
Bei den von Toei Animation designten fand ich Janenba nach seiner Verwandlung "cool". Seine Bewegungen in den Kampfszenen sind hübsch und lebendig. Bei den von mir designten habe ich übrigens keinen Liebling.

Wie haben Sie sich Bösewichte für das Originalwerk ausgedacht?
Die Charaktere dachte ich mir ziemlich genau nach der Geschichte mit dem Gedanken "Vielleicht mache ich das als nächstes" aus. Ich versuchte aber immer mir "Bösewichte, die sich von den bisherigen unterscheiden" auszudenken, und das war ziemlich schwierig... Was Majin Buu betrifft, hat das, denke ich, "gut funktioniert". Davon abgesehen war ich am Ende häufig nicht vollends überzeugt.

Womit fangen Sie an, wenn Sie sich Charaktere ausdenken?
Als erstes kommt das Gesicht. Während ich mir das Gesicht ausdenke stelle ich mir auch den Körperbau vor. Wenn dann das Gesicht und der Körper feststehen, habe ich schon eine ungefähre Vorstellung von dem Kostüm. Während ich Gewänder designe denke ich an etwas, das zu der Welt in der die Charaktere leben passt, bei kämpfenden Charakteren denke ich hingegen: "Ich frage mich, ob sie sich darin richtig bewegen können?"

Wie viele unterschiedliche Vorlagen kreieren Sie, wenn Sie sich Bösewichte ausdenken?
Was die Anzahl an Zeichnungen betrifft, kommt es vor, dass ich mich selbst nach über 30 Zeichnungen nicht entscheiden kann, es gibt aber auch den Fall, dass ich mir nach nur einer Zeichnung "das kommt ungefähr hin" denke.

Wie kamen Sie dazu, Charaktere für Videospiele zu designen?
Ich nehme an, dass Torishima-san (mein erster Redakteur) den Anstoß dafür gab. Zuerst habe ich es nur widerwillig gemacht, aber am Ende war es wirklich nützlich und ich dachte: "Ich hatte keine Ahnung, dass eine derartige Welt existiert."

Übrigens: Was brachte Sie dazu, Goku zum Super Saiyajin werden oder die Bösewichte höhere Stufen erreichen zu lassen?
Ich hatte das Gefühl, dass es Grenzen für bloße Kraft gab, also hatte ich im Allgemeinen immer Probleme mir etwas auszudenken. Ich hatte Gokus Verwandlung zum Super Saiyajin tatsächlich überhaupt nicht geplant. Dann, als ich die Idee des Super Saiyajin hatte, wollte ich zeigen, dass Goku auf einen Schlag massiv an Kraft hinzugewonnen hatte, und dachte: "Ich habe keine andere Wahl als auch seine Form zu verändern." Was jedoch das Design angeht, ähnelten die Gesichtsausdrücke eher einem Bösewicht. Ich fragte mich: "Ist es wirklich in Ordnung, ihn so werden zu lassen?" Zugegeben, da seine Verwandlung auch von Wut begleitet wird, dachte ich schließlich: "Das geht schon in Ordnung." Es wurde zu einem ziemlich grundlegendem Konzept. Was die Bösewichte angeht, gab es zum Beispiel Fälle in denen mein Redakteur "Das gefällt mir nicht" sagte und ich dann Änderungen durchführte. (lacht) "Sie sollten sich verwandeln" wurde schon bald zur Norm, also war es sehr anstrengend.

Dachten Sie abgesehen vom Super Saiyajin auch über andere Wege nach, Goku eine höhere Stufen erreichen zu lassen?
Zu dieser Zeit hatte ich keine Zeit mir mehrere Ideen auszudenken, also war das ausgeschlossen.

Das Konzept der Fusion ist eine weitere Art, eine höhere Stufen zu erreichen. Wie ist dieses Konzept entstanden?
Wenn ich mich recht erinnere, sprach ich davon, dass es als Konzept "nichts Stärkeres als einen Super Saiyajin" gäbe, woraufhin Katsura-kun (Masakazu Katsura-sensei) mit dem ich normalerweise nur herumalbere und über schwachsinniges Zeug spreche mir entgegnete: "Wenn das so ist, gibt es keine andere Möglichkeit als sie fusionieren zu lassen." Also sagte ich: "Wow, manchmal sagst selbst du etwas Gutes. Das ist das erste Mal, dass du dich nützlich machst." (lacht) So wurde dieses Story-Element geboren.

Wie war es bei dem Konzept der Potara?
Da die Fusion als Story-Element schon von einem der Kinofilme verwendet wurde, musste ich mir etwas ausdenken. Ich habe [an den Kaiōshin] immer schon Ohrringe gezeichnet, also dachte ich: "Vielleicht kann ich ja diese benutzen..."

Haben Sie sie von Beginn an mit dem Hintergedanken, sie als Fusionsgegenstand zu verwenden, gezeichnet?
Nein, überhaupt nicht. Sie waren nur Dekoration.

Sie waren also nur zufällig vorhanden.
Ich wage mich immer auf so dünnes Eis. (lacht) Wenn ich in die Enge getrieben werde, spannen sich die Nervenzellen in meinem Hirn offenbar so sehr an, dass irgendeine Idee auftaucht. Ich bin auch gut darin, es zu erzwingen, dass sich Dinge anspannen. (lacht)

Das ist beeindruckend.
Nein, das ist es wirklich nicht. Ich selbst bin immer angespannt. Wenn ich im vorherigen Kapitel schon geschrieben habe, dass "etwas unglaubliches" passieren wird, denke ich [für das nächste Kapitel] dann: "Ich habe keine Wahl. Ich muss etwas unglaubliches machen." Das ist so schmerzhaft. (lacht)

Was Video-Technologie betrifft nutzen Die Wiedergeburt der Fusion!! Goku und Vegeta und Explosion der Drachenfaust!! Wenn es Goku nicht schafft, wer dann? Computer-generierte Spezialeffekte. Was denken Sie darüber?
Meine Meinung ist eher "Wir können auch anders Dinge erschaffen, die Spaß bringen, oder nicht?" als "Nutze jede neue Technologie, die es gibt." Aber: So lange sie bessere Resultate liefert, bin ich dafür.

Gibt es Dinge, die Sie selbst gerne mit einem Computer erledigen würden, Sensei?
Die gibt es. Zum Beispiel die Pläne für einen Mecha zeichnen und ihn dann bewegen können. Ich denke immer nur an Dinge, die mir eine Menge Arbeit abnehmen würden. Ich möchte zum Beispiel auch einen Rohentwurf für "etwas, das ungefähr so ist" zeichnen und dann das komplett fertige Produkt herausbekommen. (lacht)

Übrigens: Welcher ist ihr Lieblingskinofilm bzw. welches ist ihr Lieblings-TV-Special?
Mir gefällt tatsächlich die Geschichte über Bardock, Gokus Vater, sehr. Sie ist ziemlich dramatisch und die Art von Geschichte, die "ich niemals zeichnen würde", wenn ich dafür verantwortlich wäre. Sie ist - und das ist positiv gemeint - wie eine andere Art von Dragon Ball, also fand ich sie schön.

Als nächstes möchte ich Sie etwas Persönliches fragen, Sensei: Bei welcher Illustration hatten Sie zum ersten mal das Gefühl, es geschafft zu haben ein Bild zu zeichnen?
Meine früheste "Das habe ich wirklich gut getroffen"-Erinnerung ist ein Bild von einem Pferd. Ich erinnere mich noch heute daran. "Die Gelenke sind mir wirklich gut gelungen." Bilder zu malen hat mir schon immer gefallen, und in meiner Kindheit gab es nicht so viele Arten der Unterhaltung wie heute, also hat jeder gezeichnet. In der Grundschule haben wir zum Beispiel Illustrationen aus Animationen und Comics nachgeahmt, und das haben alle gemacht, also hatten alle auch eine Illustration "bei der es gut gegangen ist".

Gibt es also eine Verbindung zwischen Ihren damaligen Erfahrungen und ihrem jetzigen Beruf als Mangaka?
Vielleicht. Ich war der einzige, der wirklich hartnäckig beim Zeichnen geblieben ist. Am Anfang haben alle auf demselben Niveau gezeichnet, nicht wahr? Nach einer Weile, als ich anfing Karikaturen meiner Freunde zu zeichnen, wurde das Gefühl von "Bilder zu zeichnen macht Spaß" immer stärker.

Worauf basiert Ihr Zeichenstil, Sensei?
Ich selbst denke, dass es Walt Disney und Osamu Tezuka sind. In meiner Kindheit gab es ein Atelier namens "Zugaya-san" in dem sich die Kinder aus der Nachbarschaft trafen, um gemeinsam zu zeichnen und Lärm zu machen. Ich erinnere mich daran, dass ich eines Tages ein Bild zu Hundertundein Dalmatiner zeichnete und dafür eine gute Belohnung erhielt. Ich war davon sehr begeistert, also steckte da vielleicht tatsächlich schon etwas von meinem heutigen Ich mit drin. (lacht)

Zeichnen Sie neben Manga auch Illustrationen nur für Sie selbst?
Nein, das mache ich nicht. Ich habe aber seit meiner Kindheit die Angewohnheit meine Umgebung immer sehr genau zu beobachten. Selbst beim Einkaufen macht mir das Beobachten der Stadt mehr Spaß als das eigentliche Einkaufen. Für die Arbeit ist das beim Zeichnen von Straßenschildern, kleinen Objekten, Kleidung und Ähnlichem ziemlich hilfreich. Auch für die alltäglichen Gegenstände, die ich für meinem Job bei einer Firma zeichnen musste. Ich habe mich ständig beschwert: "Waaas? Warum muss ich einhundert Paar Socken zeichnen?!" (lacht) Rückblickend betrachtet waren solche Sachen vielleicht wirklich nützlich.

Zeichnen Sie Dinge, die Sie sehen? Fertigen Sie beispielsweise Skizzen an?
Tatsächlich nicht. Ich präge sie mir ein. Also versage ich regelmäßig, wenn ich später versuche sie zu zeichnen. "Vielleicht sah es so aus?" (lacht) Ich kann mich aber an das grobe Bild erinnern. Es ist nicht richtig sich auf dieses Bild zu verlassen, aber ich zeichne Dinge eben grob. Ich denke, dass es wahrscheinlich nichts gibt, was ich nicht zeichnen kann.

In Ihrem Interview aus dem fünften Daizenshū-Band haben wir gehört, dass sie gerne einen Anime machen würden. In welcher Position würden Sie daran gerne arbeiten?
Ich würde mich gerne selbst um die Story und die Character-Designs kümmern. Ich denke: "Eine Arbeit an der sowohl Jung und Alt als auch Jungen und Mädchen gleichermaßen Freude haben können wäre gut"... Falls es dazu kommt, dass ich selbst vor der Animation zuerst einen Manga anfertige, würde ich ihn, wenn möglich, so konzipieren, dass die Gefühle dieser Arbeit möglichst einfach in die animierte Adaption übertragen werden können. Ich würde dadurch, dass ich ihn selbst zeichne, auch erkennen können, ob er Freude bringt, oder nicht. Ein One-Shot würde ausreichen, also würde ich ihn gerne zeichnen. Im Moment suche ich noch nach einem Thema.

Zum Abschluss: Haben Sie irgendwelche Informationen zu einem kommenden Kinofilm...?
Ich habe gehört, dass es sich bei dem Film, der nächsten Frühling starten wird, um eine "zusammenfassende-und-trotzdem-originalgetreue neu-erzählung der ersten acht Bände des originalen Mangas" handeln wird. "Wir möchten euch die Techniken, die Toei Animation jetzt für noch effektivere Animationen zur Verfügung stehen, zeigen". Als die TV-Ausstrahlung von Dragon Ball damals startete waren meine Illustrationen und auch die Illustrationen von Toei Animation noch nicht ausgereift, also denke ich, dass es sehr interessant wird, zu sehen "wie es ist, wenn es mit ihren aktuellen Fähigkeiten produziert wird". Bitte, freut euch alle darauf.

Vielen Dank, dass Sie heute so wertvolle Einblicke mit uns geteilt haben.
(5. Oktober 1995 bei Shueisha)







Quelle: kanzenshuu.com

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