Interview mit Akira Toriyama aus dem Daizenshū 2
Beitrag von Matt @matt@mtyp.in
Am 4. August 1995 erschien in Japan das zweite der zehn Daizenshū-Bücher, in denen fasst das gesamte damalige Wissen über Dragon Ball von Shueisha-Redaktueren zusammengefasst wurde. "Dragon Ball Daizenshū 2: Story Guide" enthielt außerdem ein Interview mit Dragon Ball-Autor Akira Toriyama. Diese zweite Runde des "Super Interviews" wurde auch noch einmal in dem am 5. Februar 2013 in Japan veröffentlichten Chōzenshū 1 abgedruckt.
Da es sich bei diesem Band um einen Story-Guide handelt, habe ich mir überlegt, Sie zu Dingen, die die Story von Dragon Ball betreffen, zu befragen. Zu erst einmal, warum haben Sie die Story von Dragon Ball begonnen?1“Spartan X” ist der japanische Titel eines Jackie Chan-Films, der in Deutschland unter dem Namen "Powerman" bekannt ist. Er wurde als Arcade-Spiel umgesetzt, das in Japan wieder "Spartan X", aber in Amerika "Kung-Fu Master" genannt wurde. Es wurde für verschiedene Heimkonsolen, unter anderem Nintendos Famicom (NES), portiert. Die Elemente des Spiels, die den Muskelturm inspirierten, stammen ursprünglich tatsächlich aus dem Bruce Lee-Film "Game of Death", in dem sich Lees Charakter mit vier Verbündeten den Weg durch eine fünfstöckige Pagode hinaufkämpfen muss.
Ich hatte "Dr. Slump" gerade beendet und dachte zu dieser Zeit darüber nach, wie ich die nächste Serie angehen sollte. Ich hatte mit meinem damaligen Editor Torishima-san viele Meetings. Damals liebte ich Jacky Chans Filme und hatte "Drunken Master" dutzende Male gesehen. Da ich diese Art von Dingen mochte, riet mir Torishima-san zu versuchen einen Kung-Fu-Shōnen-Manga zu machen, also zeichnete ich einen One-Shot namens "Dragon Boy". Dieser wurde von den Lesern unglaublich positiv aufgenommen, also wollte ich den selben Weg für meine nächste Serie einschlagen.
Also begannen Sie davon ausgehend ernsthaft über ihre neue Serie nachzudenken?
Da "Dr. Slump" in einer westlichen Umgebung spielte, entschied ich, diesen Eindruck zu ändern und meiner neuen Arbeit eine chinesische Umgebung zu geben. Und, wenn ich ihr eine chinesische Atmosphäre geben würde, dann, dachte ich, würde ich die Story auf "Die Reise nach Westen" basieren lassen. "Die Reise nach Westen" ist immerhin absurd und beinhaltet abenteuerliche Elemente, deshalb, denke ich, habe ich mich entschieden eine etwas modernisierte "Reise in den Westen" zu machen. Ich dachte, dass es einfach wäre, wenn diese Geschichte als Basis dient, da ich nur Dinge anordnen müsste. (lacht)
Anscheinend wollten Sie Goku anfangs tatsächlich als Affen darstellen. (Siehe Seite 90)
Ja, damit es komplett mit "Die Reise in den Westen" übereinstimmt. Das war nicht besonders innovativ, weshalb ich den Protagonisten zum Menschen machte, zum ganz normalen Jungen. Ich wollte aber, dass er irgendein charakteristisches Merkmal besitzt.
Der Protagonist von "Dragon Boy" hatte Flügel, also wollte ich ein charakteristisches Merkmal, das es erlaubt, ihn durch bloßes Hinsehen zu erkennen. Folglich gab ich Goku einen Schwanz. Selbst, wenn er sich hinter einem Felsen verstecken würde, wenn man seinen Schwanz noch sehen kann, weiß man damit, dass es Goku ist.
Davon ausgehend fügte ich die Dragon Balls hinzu, und wenn man alle sieben sammeln würde, würde einem ein Wunsch erfüllt werden. Ich dachte, dass, wenn die Charaktere sich auf die Suche nach diesen machen würden, sie eine Reise wie in "Die Reise in den Westen" durchleben könnten.
Und deshalb erzeugte die Serie, als sie frisch in Serie ging, vor dem Beginn des Tenkaichi Budōkai, ein erhebliches Gefühl von "Die Reise in den Westen".
Bulma war Tripitaka, Oolong war Zhu Bajie und Yamcha war Sha Wujing. Ich dachte anfangs, dass ich sie [die Serie], nachdem sie die Sammlung der Dragon Balls vollendet hatten, beenden würde.
Und dann begann das Tenkaichi Budōkai. Aber warum entschieden Sie sich für so eine Entwicklung?
Bis das Tenkaichi Budōkai begann war die Serie nicht besonders populär. Das erzähle mir Torishima-san. "Dein Protagonist ist eher schlicht. Deswegen ist sie nicht populär", sagte er. Da ich in dieser Serie eine Geschichte um Kämpfe erzählte, machte ich persönlich die Kleidung der Protagonisten absichtlich übertrieben schlicht. Also störte mich das, aber dann erkannte ich es. "Na gut, machen wir sie populärer", dachte ich. Als ich Goku designte, beschrieben ihn die Worte "Ich will stärker werden" am besten. Also dachte ich daran, das zur Geltung zu bringen. Selbst bei "Dr. Slump" waren Turnier-ähnliche Veranstaltungen, wie der Pinguinhausen Grand Prix, unglaublich populär. Folglich würde ich die Story einfach zu einem Turnier-Format ändern. Damit war das Tenkaichi Budōkai geboren. Ich entfernte vorläufig die anderen Charaktere neben Goku, holte Kame-Sennin zurück und fügte Kuririn als neuen Charakter hinzu. Davon ausgehend wurde sie schneller populär, als ich es merken konnte.
Trotzdem hat Goku, im Gegensatz zu den üblichen Protagonisten, den Wettkampf sicherlich nicht gewonnen.
Yep. Er brauchte drei Ansätze um endlich zu gewinnen. Alle um mich herum sagten: "Ich bin mir sicher, dass Goku am Ende gewinnen wird." Obwohl ich wollte, dass er gewinnt, entgegnete ich, da ich pervers bin, als sie das zu mir sagten: "Als ob ich ihn gewinnen lassen würde!" (lacht)
Das Tenkaichi Budōkai war der erste Wendepunkt. Und dann tauchte die Red Ribbon Armee auf.
Mit der Red Ribbon Armee war es das selbe, wie mit dem Tenkaichi Budōkai, sie war nur nicht im Turnier-Format. Zu dieser Zeit gab es ein Spiel für den Famicom namens "Spartan X"1, das ich häufig spielte. Starke Gegner kamen sehr schnell auf dich zu und du vermöbeltest sie. Es basierte sogar auf einem Kung-Fu-Film. Das zu spielen, zeigte mir Anschauungsmaterial für ein sich vom Turnier unterscheidendes Motiv. Da kommt der Muskelturm her.
Und dann tauchte endlich Piccolo Daimaō auf.
Alle bisherigen Bösewichte hatten etwas sympathisches an sich. Also entstand Piccolo Daimaō aus meiner Idee, einen wirklich bösartigen Typen zu erschaffen. Diese Zeitspanne zu zeichnen war am interessantesten.
Von da an begannen die feindseligen Charaktere schnell zu eskalieren.
Nachdem sie die Stärksten der Erde geworden waren, und Goku und Co. auch die Saiyajin von außerhalb der Erde besiegt hatten, reisten sie hinaus ins Universum. Ich dachte mir Freeza zur Zeit der Blase2 aus und "Land"-Börsenhaie waren von allen Personen die schlimmsten. Also machte ich ihn zum "Landhai" Nr.1 des Universums. Das bloße Eskalieren der Feinde war aber anstrengend, und so schuf ich das Ginyu-Sonderkommando. Mein Sohn liebte Sentai3-Kram wirklich sehr und ich sah ihn mir mit ihm immer an. Naja, den habe ich angeschafft. Er wird von Toei herausgebracht, so wie der Dragon Ball Z-Anime. (lacht)
Als nächstes kamen die künstlichen Menschen und Cell.
Da sie sogar die Stärksten des Universums geworden waren, mussten sie als nächstes die Zeit übertreffen. Also schuf ich Zeitreisen-Kram, aber der war richtig grob. Zeit-Paradoxon, nicht wahr? Schnell kam ich nicht mehr weiter. Ich habe im Grunde genommen nur über das nachgedacht, was ich in dieser Woche zu tun hatte. Selbst ich wusste nicht, was in der nächsten Woche passieren würde. Ich würde die Story zwar so zeichnen, aber ich würde sie auch immer mit meinem Editor bereden, um herauszufinden, was ich für die nächste Woche tun soll. (lacht)
Und dann endete die Cell-Saga. Dachten Sie, jeder habe damit gerechnet, dass Sie Gohan die Hauptrolle überlassen?
Ich hatte vor, Gohan die Hauptrolle zu überlassen. Es funktionierte nicht. Am Ende dachte ich, dass er, im Gegensatz zu Goku, nicht zu dieser Rolle passte.
Übrigens, wer ist Ihr Lieblingscharakter?
Ja, ich glaube alles in allem mag ich Piccolo am meisten. Von allen Gegnern ist Piccolo Daimaō der, den ich am meisten mag, und selbst danach mag ich Piccolo am meisten. Ich habe Piccolo ungefähr genauso gern wie Goku. Was Vegeta betrifft, naja, ich mag ihn nicht so besonders, es war aber extrem nützlich ihn dabei zu haben. Was das Aktuelle betrifft: Es hat Spaß gemacht Satan zu zeichnen. Als ich ihn das erste Mal einbaute, dachte ich nicht, dass ich Satan zu so einem wichtigen Charakter machen würde. Ich dachte, er sei nur ein One-Shot-Charakter.
Satan ist so, aber sich wertvolle Gags auszudenken ist amüsanter als die Kampfszenen zu machen. (lacht)
Das ganze nahm so richtig Fahrt mit Gotenks auf. Es gibt Legenden, die besagen, dass Ihr Editor Takeda-san jede Woche in Gelächter ausbrach, wenn er die Storyboards in der Redaktion sah. (lacht)
Ich nehme an, dass ich immer noch ein Gag-Mangaka bin. (lacht)
Aber dann denke ich schließlich immer daran, wie viele Typen auf unserer Seite stehen, obwohl es nur einen Gegner gibt. Wenn man darüber nachdenkt, ist es nicht unfair? (lacht) Sie können sich einfach gegen ihn zusammenrotten. (lacht)
Es ist also so, wie Gokus Satz am Ende des Kampfes mit Majin Buu.
Richtig. Er sagte: "Du hast dich ganz alleine gut geschlagen." Ich nehme an, Gokus Antrieb war es, egal um welche Art von Gegner es sich handelte, gegen ihn im Kampf Mann gegen Mann anzutreten.
Wenn man sich das gesamte Werk ansieht, hat sich Goku das immer gewünscht. Die heutige Unterhaltung war sehr wertvoll, darum vielen Dank.
(23. Mai 1995 im chinesischen Restaurant Rōgairō)
2“Blase” ist eine Anspielung auf Japans Finanzblase von 1986 bis 1990, die eine Periode hemmungsloser Finanzspekulationen war. Am meisten wurde auf Immobilien spekuliert: Grundstücke kaufen, um sie für einen guten Preis zu verkaufen. Obwohl die Grundstückspreise für eine Weile stiegen, platzte die Blase 1990 und Japan geriet in eine wirtschaftliche Depression. Freezas Geschäftsmodell, bei dem Planeten angegriffen werden, um sie für einen guten Preis zu verkaufen, ähnelt den Praktiken eines Land-Spekulanten. Freeza tauchte in Dragon Ball erstmals zwischen Ende 1989 und Anfang 1990 auf, gegen Ende der Blase.
3Mit Sentai (oder “Super Sentai“) ist ein Genre japanischer Kinderfernsehserien gemeint, bei denen Teams kostümierter Superhelden gegen Monster antreten. Diese Serien werden von Toei, dem Besitzer von Toei Animation, produziert. Toei Animation ist das Animationsstudio hinter Dragon Ball, Dragon Ball Z und Dragon Ball GT. Bildmaterial aus japanischen Sentai-Serien wurde bearbeitet, synchronisiert und mit Bildmaterial von amerikanischen Schauspielern kombiniert um Power Rangers zu schaffen. In Sentai-Serien treten normalerweise Teams von fünf kostümierten Helden auf, jeder in einer anderen Farbe, und kämpfen mit aufwendigen Posen, die aus dem Kabuki-Theater stammen. Die Verbindung zum Ginyu-Sonderkommando sollte offensichtlich sein. Der große Saiyaman wurde auch stark von Sentai beeinflusst.
Quelle: kanzenshuu.com
Zuletzt geändert:
Kommentare:
Zurzeit können keine Kommentare zu diesem Post hinterlassen werden.