Interview mit Akira Toriyama aus dem Daizenshū 1

Beitrag von Matt @Matt@m.bratpfannenberg.com

Am 25. Juni 1995 erschien in Japan das erste der zehn Daizenshū-Bücher, in denen fasst das gesamte damalige Wissen über Dragon Ball von Shueisha-Redaktueren zusammengefasst wurde. Dieser erste Band "Dragon Ball Daizenshū 1: Complete Illustrations" ist auch der bisher einzige, der eine deutsche Veröffentlichung am 23. Oktober 1999 durch den Carlsen Verlag erhielt. Der Band enthielt neben jeder Menge Illustrationen auch ein Interview mit Dragon Ball-Autor Akira Toriyama. Diese erste Runde des "Super Interviews" wurde auch noch einmal in dem am 9. Mai 2013 in Japan veröffentlichten Chōgashū-Artbook abgedruckt.

Cover des Daizenshū 1: Complete Illustrations und des Chōgashū-Artbooks
Die folgende deutsche Fassung des "Super Interviews" basiert auf der englischen Übersetzung von kanzenshuu.com, und weicht daher in einigen Punkten von der deutschen Fassung aus Carlsens Dragon Ball Artbook ab:
Da es sich bei diesem Band um eine Sammlung von Dragon Ball-Illustrationen handelt, habe ich mir überlegt, meine Fragen auf Ihre Bilder zu konzentrieren. Empfinden Sie, dass Sie an Ihren Bildern zwischen Dragon Ball und dem früher veröffentlichten Dr. Slump irgendwelche bewussten Änderungen vorgenommen haben?
Ja, ich mag es nicht besonders, nach dem selben Muster vorzugehen, deshalb verändere ich die Bilder passend zur Geschichte. Deswegen kann ich selbst heute, wenn man von mir verlangt Dr. Slump-artig zu zeichnen, tatsächlich so zeichnen. Ich setze einfach rundliche Linien ein.

Als ich die zweite Hälfte von Dragon Ball erreichte, hatte ich bereits mehr Interesse am Kreieren der Geschichte als dem Zeichnen der Bilder. Dann begann ich damit, nicht viel Wert auf die Bilder zu legen. Die Kämpfe wurden intensiv, und ich wechselte allmählich zu einfacheren Linien.

Auf jeden Fall hasse ich es, das selbe zu tun. Was das betrifft, bin ich grundlegend pervers. Ich habe Postkarten von Lesern erhalten, in denen stand: "Im Vergleich zu den Anfängen, ist es jetzt wirklich eckig." Also dachte ich daran, es noch eckiger zu machen. (lacht)

Am Anfang hatte ich aber, was meine Kampfszenen betrifft, wenig Selbstvertrauen. Ich hatte das, was man Bewegtbilder nennen könnte, noch nie zuvor wirklich gezeichnet. Das kam daher, dass ich im Bereich der Illustrationen begonnen hatte. Es war wirklich schwer das erste Tenkaichi Budōkai zu zeichnen.

Es wird gemunkelt, dass Sie in Ihrem Studio überhaupt kein Referenzmaterial lagern, aber was hatten Sie dort zur Hilfe, als Sie das erste Mal damit anfingen, Kampfszenen zu zeichnen?
Ja, was habe ich benutzt? Es ärgert mich besonders, wenn Leute in anderen Manga nach Ratschlägen suchen. (lacht) Dinge wie Filme, die ich vor langer Zeit gesehen habe, jedoch, bleiben mir im Gedächtnis, also vielleicht habe ich diese benutzt.

Natürlich denke ich, dass Filme am hilfreichsten sind. Ich bin von Filmen schon immer lächerlich angetan.

Sehen Sie sich jetzt auch noch viele an?

Seit ich Kinder habe war ich nicht mehr im Kino. Ich sehe mir nur noch Fernsehausstrahlungen von Filmen an oder leihe mir Videos aus, die interessant erscheinen. Der Sender spielt keine Rolle. Im allgemeinen lasse ich den Fernseher bei der Arbeit laufen. Daher kann ich mir auch nichts mit Untertiteln ansehen, weil ich dann nicht arbeiten könnte. (lacht) Grundsätzlich arbeite ich, aber ich sehe hin, wenn ich an der Musik erkenne, dass eine interessante Szene im Gange ist. Ich konzentriere mich auf die Filme, die ich auf jeden Fall sehen will, aber der ganze Rest läuft einfach nebenbei.

Hatte irgendeiner dieser Filme Einfluss auf Dragon Ball?

Ich habe so etwas nie besonders bewusst gemacht, nicht wirklich. Ich meine, für die Geschichte sind sie überhaupt nicht nützlich. Sie sind aber gute Referenzen, um etwas zu zeigen, wie z.B Explosionen. Sie sind nicht einfach nur ein "Bumm", sondern wie ein Blitzlicht, dem ein "Booom!"-Geräusch folgt.

Apropos, die Kämpfe sind sehr heftig.
Das kommt definitiv daher, dass ich mich auf die rhythmische Qualität der Jackie Chan Filme beziehe.

Ich benutze erst später Referenzmaterial, wenn ich Dinge wie Autos oder Flugzeuge zeichne. Plastikmodelle sind dafür nützlich, da man sie aus unterschiedlichsten Blickwinkeln betrachten kann.

Ich fand die Art, wie Sie Autos und ähnliches in einem deformierten Stil zeichnen, schon immer unglaublich.

Ja, das mache ich, weil das exakt korrekte Zeichnen eines Autodesigns lächerlich viel Zeit benötigt. Wenn man es nicht genau zeichnet, sieht es am Ende irgendwo falsch aus. Aber, wenn man es deformiert zeichnet, ist es in Ordnung, dass ein paar Dinge falsch sind. Auf jeden Fall versuche ich alles, was meine Arbeit schneller enden lässt. (lacht) Naja, mein Manga ist ein Gag-Manga, und alle Charaktere sind sowieso deformierte Menschen, also wäre es merkwürdig, wenn alles andere nicht auch deformiert wäre.

Neben Fahrzeugen aus der realen Welt tauchen auch viele originale Fahrzeuge in Dragon Ball auf.
Es macht am meisten Spaß, sich originale Mecha auszudenken. (lacht) Beim zeichnen denke ich darüber nach, wie man hinein kommt, wo sich der Motor befinden und Ähnliches.

Sicherlich muss man beim Zeichnen von Autos und Dingen, die in der echten Welt existieren, die Arbeit jedes Mal mit Referenzmaterial abgleichen. Bei Dingen, die ich mir selbst ausgedacht habe aber, habe ich dieses Problem nicht, da man nichts dagegen sagen kann. (lacht) Weil ich es erdacht habe, kann ich einfach sagen, dass es so richtig ist. (lacht)

Als nächstes möchte ich Sie zu kolorierten Manuskripten befragen: Was benutzten Sie für die Kolorierung?
Eine bunte Tusche namens "Luma". Ein Shōjo-Mangaka aus alten Zeiten hat mir davon erzählt. Bis dahin benutzte ich eine wasserbasierte Farb-Feder, die quietschte und sich im Wasser auflöste. Also sagte ich, als ich diese bunte Tusche benutzte: "Ah, so etwas nützliches gibt es? Jetzt kann ich es nass machen, ohne quietschen." (lacht)

Was ist übrigens Ihre Lieblingsfarbe?
Ich würde sagen Grün. Italienisches, echtes Grün. Entweder das, oder Gelb, oder Orange.

Meinen Sie mit Gelb oder Orange die Farbe von Gokus Dōgi?
Ja. Ich habe seinem Dōgi aber nicht diese Farbe gegeben, weil sie mir gefällt, sondern, weil sie die Farbe der Dōgi der buddhistischen Mönche, die in China trainierten, war. Sie war eine Farbe, die besonders mit China in Verbindung stand.

Wenn Sie sich eine neue Figur ausdenken, beginnen Sie mit ihrem Typ und Charakter? Oder mit einem Bild?
Ich denke an die Geschichte und den Typ, dann denke ich an ihre Persönlichkeit, und am Ende zeichne ich ein Bild von ihr. Ich denke, das ist die Grundhaltung, die ich habe.

Nachdem ich mir Cells Bild ausgedacht hatte, sagte ich: "Verdammt!" Ich dachte, das Manuskript sei fertig, aber ich hatte diese Punkte auf seinem Körper noch nicht gezeichnet (lacht), das passierte häufig. Das ist der Grund, warum es nie Charaktere mit Rasterfolie gab, mit Ausnahme von sehr kleinen Nebenrollen. Es ist nicht so, dass ich Rasterfolie nicht mag, ich will sie einsetzten. Aber sie ist schwierig einzusetzen, also kann ich es nicht. (lacht)

Denken Sie auch an die Farbgebung der Kleidung eines Charakters, wenn Sie sie in schwarzweiß zeichnen?
Ja, genau, aber ich tue es nicht bewusst. Wenn ich die Farbe hinzufüge, denke ich: "Es war mehr oder weniger diese Farbe." Bei Leuten, die ich schon einmal in Farbe gezeichnet habe, werfe ich aber im Allgemeinen keinen Blick zurück, um sie zu überprüfen, also benutze ich manchmal am Ende andere Farben als zuvor. (lacht)

In diesem Buch sind alle Bilder in chronologischer Reihenfolge zu finden. Ihre besondere Note und die Art, wie Sie malen, haben sich über die Jahre verändert.

Aber das habe ich nicht wirklich bewusst gemacht. Im Grunde verändern sie sich, ohne, dass ich es merke. Wenn ich mir aber einen Tankōbon-Band oder Ähnliches von vor einem Jahr ansehe, denke ich: "Igitt! Das wurde schlecht gemacht."

Nach einem Jahr?
Ja. Ich denke: "Ah, ich schätze, dass ich mich sehr stark weiterentwickelt habe." (lacht) Selbst bei Bildern, die nicht so lange her sind, denke ich auch, dass sie merkwürdig aussehen. Zum Beispiel fühlt sich bei einem Manuskript von vor ungefähr einem halben Jahr  das Design merkwürdig an. Auch bei kolorierten Manuskripts denke ich normalerweise nach dem Malen: "Ah, das hab ich vermasselt."

Wie, wirklich?

Wenn Zeit wäre, würde ich versuchen, es in Ordnung zubringen, aber es ist nie Zeit. (lacht)

Die Art, wie Sie Farben malen, hat sich auch ziemlich verändert.
Ja. Zum Beispiel schattierte ich früher die hellen Stellen im Haar, aber sie zu schattieren kostete sehr viel Zeit. Als ich an dem Anime namens Kosuke-same Rikimaru-sama (vorgeführt beim 1989 Jump Anime Carnival, und wurde später zum Jump Video) mitarbeitete, sah ich die Bilder des Animators Toyo’o Ashida-san, und dachte, dass die Anime-Methode, Licht und Schatten hinzuzufügen, nicht schlecht war. Von da an machte ich meine Bilder auf diese Art.

Die Wahrheit ist, dass Ashida-san jemand ist, den ich immer respektiert habe.

Bei der Farbgebung: Wie entscheiden Sie sich für einen Stil? Zeichnen Sie einfach verschiedenste Testversionen, oder Ähnliches?
Im Grunde koloriere ich es nur ein Mal. Ich bestimme welche Farbe der größte Bereich bekommt, und ich glaube, das bestimmt den Rest. Bei Goku, oder jemand anderem, dessen Farben bereits feststehen, bestimmen diese die Farben des Hintergrunds der mit ihnen verbunden werden wird.

Wenn Sie eine einzelne Illustration zeichnen, können Sie dann den ganzen Weg, von der Skizze bis zum auftragen der Farbe, in einer Sitzung beenden?
Normalerweise mache ich es in einer Sitzung. Beim Zeichnen bringe ich immer noch all meine Bemühungen auf. Ich werde extrem konzentriert. Ich blende alle Geräusche komplett aus.

Vor einiger Zeit zeichnete ich eine genaue Illustration, und die Linien wurden alle wellenartig. Ich dachte: "Ah, meine Hand spielt verrückt. Was ist mit ihr los?" Dann begann der Tisch zu wackeln und ich sagte: "Was?! Das war ein Erdbeben!" (lacht)

Selbst, wenn es mich Schlaf kostet, arbeite ich normalerweise weiter, bis ich komplett fertig bin. Ich schätze, dass ich einfach nicht schlafen könnte, wenn ich sie halb fertig lassen würde. (lacht) Es würde mich einfach weiter beschäftigen. Ich würde in meinen Träumen weiterzeichnen. Wenn ich am Morgen aufwachen würde, würde ich "Ah, ich habe nur geträumt, dass ich sie vollendet habe!" sagen. (lacht)

Zum Schluss noch: Mit welchem Bild aus zehn Jahren Dragon Ball sind Sie am zufriedensten?
Das, auf dem Goku und Gohan auf einem Ding sitzen, das wie eine Harley mit Beinen aussieht (Seite 88[/78 in der deutschen Fassung] · 140). Das ist das einzige, von dem man sagen kann, dass ich damit zufrieden bin.

Nur ein Stück aus über zehn Jahren?
Aus denen, an die ich mich erinnern kann, ist dieses das einzige bei dem sowohl die Farbe als auch die Komposition gelungen sind.

Jetzt da Sie es sagen, denke ich, man könnte sagen, dass Sie es geschafft haben einen Moment der Bewegung geschickt festzuhalten.
Ich halte das aber für nicht allzu beeindruckend. Wenn ich etwas zeichne, ist daran das unglaublich störende, dass das Resultat am Ende nicht so aussieht, wie ich es mir vorgestellt hatte. Ich denke, dass dieses Bild definitiv die Komposition und die Kombination der Farben aufweist, die ich mir vorgestellt hatte.

Da ich von Grund auf penibel und launisch bin, will ich sehr unterschiedlich zeichnen. Ich verliere nicht das Interesse, also versuche ich es weiter. Deswegen versage ich am Ende auch immer. (lacht) Ich schaffe es, damit nicht zufrieden zu sein. Aber ich denke über das, was ich getan habe, nach, also mache ich Fortschritte. Ich denke immer nach. (lacht)

Heute war viel los, also vielen Dank.

(21. April 1995 im Yamanoue-"Hill Top"-Hotel)




Quelle: kanzenshuu.com

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